Labels are for clothes not for human, but you are gay.

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Labels are for clothes not for human. We’re all human.

So die einfache Botschaft. Es wäre so schön, wenn es so einfach wäre. Sobald ich mich auf der Straße bewege, werde ich in Schubladen einsortiert.

Sie trägt ein Kopftuch, sie muss eine Muslima sein.
Er ist schwarz.
Er hat eine ausladende Hüftbewegung, er muss schwul sein.

Und schon beginnen die Assoziationsketten.

Sie wird garantiert von ihrem Mann unterdrückt.
Er hat sicherlich einen großen Schwanz.
Er verhält sich bestimmt ganz weiblich.

So zumindest einige Stereotype. Das ließe sich beliebig lange fortsetzen. Am Ende kommen die Terroristin, der Drogendealer und sexsüchtige Perverse raus.

Meine Sexualität ist meine Sexualität und ich habe nie nach deinen Gedanken gefragt

Einer der ersten Einträge in diesem Blog widmet sich genau dem Thema, wie durch die Gesellschaft meine „Homosexualität [..] von einem eher belanglosem Teil meinerselbst zum Kern meiner Identität geworden“ ist. Es ist ein sehr persönlicher Bericht über mich, meine Sexualität und meine Erlebnisse. Hier möchte ich auf andere Erlebnisse eingehen.

Ich lebe in einer heterosexuellen Welt. Das muss ich alltäglich erfahren. Sobald ich mich außerhalb meiner kleinen Blase bewege, werde ich von ihr belästigt und abgewertet. Vielen anderen nicht-heterosexuellen Menschen geht es wohl ähnlich. Ob auf der Arbeit, in der Schule oder im Studium. In der Pause beim Essen, dem Kaffee oder der Zigarette zwischendurch. Immer dann wenn persönliche Gespräche in den Vordergrund rücken.

Wie war dein vergangenes Wochenende? Was machst du heute Abend? Was gibt es neues bei dir?

Es wird erzählt was Mann* am Wochenende mit seiner Freundin gemacht hat. Mit den neusten Eroberungen wird geprahlt. Über ausstehende Dates gesprochen. Und schlagartig wird, für mich als Schwuler, aus diesen einfachen Fragen ein riesiger Stress.

Vor einigen Jahren habe ich mich zurückgehalten und neutrale unverbindliche Aussagen getroffen. Bloß nicht „mein Freund“ sagen. Mit „tolle Person“ einen heißen Mann* umschreiben. Ich habe mich versteckt und nicht angreifbar gemacht. Indem ich einen dicken Nebel drumherum ausgebreitet habe. Jetzt sehe ich das nicht mehr ein. Wer fragt, muss auch die Antwort ertragen.

Das Mann* und Frau* zusammengehören und für einander bestimmt sind, wird in jedem Gespräch als selbstverständlich angesehen. Als ein Naturgesetz. Mann* + Frau*. Nicht Frau* + Frau* oder Mann* + Mann*.

Denn sobald ich von meinem Partner, meinem neusten Date und Erlebnissen am Wochenende erzähle, rede ich als schwuler Mann* selbstverständlich von anderen Männern*. Und genauso selbstverständlich erwähne ich es mittlerweile auch. Ohne großen Bohai. Es ist mein Freund. Es ist ein toller Mann*, den ich kennengelernt habe.

Pause.

Ein unsicheres, unruhiges Sekündchen in dem schlagartig eine peinliche Stille eintritt. Auch bei Menschen, die von mir wissen, dass ich schwul bin.

Da er hat es ausgesprochen! Und schon habe ich das Label auf meiner Stirn tätowiert – unwiderruflich.

Die Pause verrät sehr viel. Unsicherheit und Erstaunen. Mir vermittelt es aber besonders: anormal, eine Rarität – im günstigsten Fall – oder eben auch ekelhaft, abscheulich!

Eine kleine Selbstverständlichkeit, die so viele Reaktionen und Emotionen verursacht. Dann kommt die dezente Nachfrage, ob ich von meinem Freund sprach, also Freund wie fester Freund. Eine kleine Versicherung, ob die anderen sich auch ja nicht verhört haben. Das passiert manchmal.

Ich führe die selben Gespräche, mit den selben Themen. Doch jedes Mal entsteht bei mir eine Pause. Ich habe irgendeine selbstverständliche Norm gebrochen, die aber nicht für mich selbstverständlich ist oder sein kann. Ich kann dieses Gespräch als nicht-hetero Mann* anscheinend nicht führen. Denn ich trage mein Label.

Anscheinend politisiere oder sexualisiere ich plötzlich den Smalltalk. Es ginge ja auch wirklich niemanden an, was ich in meiner Freizeit hinter verschlossenen Türen tun würde. Das seien meine private Angelegenheiten, die ich nicht ständig in die Öffentlichkeit tragen sollte. Und so weiter, und so fort. Ein gewöhnliches Gespräch wird durch eine minimale Änderung absonderlich, anormal.

Wenn ich Glück habe, setzt dann das Gespräch fort. Wenn ich Pech habe, beginnt die Fragerei: „Wie ist das denn bei euch?“ Bei Euch? Ähm, wie bei dir?! Ich lerne Männer* kennen, ich date sie, ich verliebe mich vielleicht, ich habe Sex mit ihnen. Alles nicht so ungewöhnlich, oder? Ich trage augenblicklich das Label: Anders. Egal ob ich will oder nicht. Mittlerweile trage ich es stolz. Die Entgegnung darauf: Du trägst deine Homosexualität wie eine Monstranz vor dir her.

Weißt du was? Fuck you, denn ich werde es nicht tun!

Alle hetero Männer*, die mich mit schwul labeln, gestehen doch nur ein, wie unsicher sie sich ihrer eigenen Sexualität sind.

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